Damian Duchamps hat Recht. Wer zusammengekniffenen Auges und mit rhythmischem Getippe auf die Leertaste seine Absätze in WORD einrückt, der wird junge Menschen wahrscheinlich nicht auf einen informierten, besonnenen, kreativen Umgang mit digitalen Medien vorbereiten können.
Kann denn ein Lehrer mit tiefer Sicherheit seinen Schülern sagen, ob und wie sie Facebook, Twitter, WhatsApp, Google+, Google-Docs, Flickr, Instagram, Pinterest, wordpress usw. heute und in Zukunft nutzen sollen?
Ich denke jetzt nicht an das Naheliegende, etwa persönliche, kompromittierende Dinge lieber für sich zu behalten, Privacy-Einstellungen sehr überlegt vorzunehmen und natürlich das komplette Verständnis, wie sich die genannten Anwendungen fruchtbar nutzen lassen. Nachdenklich macht mich, dass doch am Ende keiner wissen kann, was er tut, wenn er diese Dienste verwendet – und zwar weder ein Lehrer noch seine Schüler, denen er einen der Dienste empfohlen hat. Ich kenne niemanden, der die AGB von Facebook, Google+ oder iOS durchgelesen und verstanden hat, geschweige denn die Änderungen daran, die man alldieweil bestätigen muss. Ich habe es versucht. Es ist unmöglich. Wo und wie werden Daten konsolidiert und verwertet, die mein iPhone oder mein Android-Handy fröhlich in die Ferne senden? Auch wenn keine Trojaner drauf sind, wie auf dem Gerät von Ranga Yogeshwar? Ich habe keinen blassen Schimmer, was Google mit meinen Instragram oder Flickr-Bildern übernächstes Jahr anstellen wird, die ich bislang hochgeladen habe. Ich kann nur hoffen, dass die es mit Augenmaß tun, mich vielleicht vorher fragen, es einfach nicht übertreiben.Das klingt jetzt alles dramatischer, als zumindest meine Erfahrungen mit sozialen Medien bislang waren. Genaugenommen fällt mir kein gravierendes Problem ein, das mir der tägliche Gebrauch eingebracht haben könnte.
Etwa Facebook oder Google+ zu nutzen ist doch ein wenig wie Fahrradfahren ohne Helm: Man weiß, dass es nicht ganz vernünftig ist, aber wenn man vorsichtig und vorausschauend fährt, dann kommt man auch ohne Helm ziemlich weit.
Geschieht das Unerwartete, dann muss man die Folgen meist ohnehin selbst ausbaden. Damit mag man als Fahrradfahrer leben wollen, als Lehrer oder Schüler nicht unbedingt. Und genau hier sehe ich die Schwierigkeit für viele Lehrer, ihren Schülern das einwandfrei richtige in Sachen Medienkompetenz zu vermitteln, ohne sich komplett lächerlich zu machen. Einerseits wird jeder Lehrer seinen Schülern nur raten wollen, wovon er selbst ohne jeden Zweifel überzeugt ist und was er zugleich vollständig durchschaut. Mit den gängigen sozialen Medien müsste er sich dann eigentlich schwer tun. Andererseits wird er seinen Schülern nicht als Alternative vorschlagen wollen, was in ihrer Welt weder verständlich noch praktikabel ist. Lea Feynberg hat dieses Dilemma für sich gelöst, wie man in der ZEIT sehr schön lesen konnte:
“Wenn Isabel am nächsten Tag mit gemachten Hausaufgaben ankommt, Timm pünktlich in der Schule erscheint und Can diesen Tag am Praktikumsplatz verbringt, dann hat sich Facebook gelohnt.”
Eine “systematisch vermittelte Grundkompetenz in Sachen digitaler Medien”, wie Damian Duchamps schreibt, würde viele Lehrer und damit noch viel mehr Schüler weiterbringen. Doch bestimmte Unsicherheiten werden auch die beste Ausbildung und die schlaueste Fortbildung nicht ausräumen, besonders wenn es um den Einsatz sozialer Medien im Unterricht oder für die unterrichtsübergreifenden Kommunikation geht. Mancher Lehrer wird dafür auch in Zukunft Risiken eingehen müssen – auf seine Kosten und vielleicht auch auf die seiner Schüler. Andere werden daher einen Bogen um digitale Medien machen – und ich weiß nicht, ob wir es ihnen verdenken sollten.
Beitrag erstmals leicht anders erschienen auf lernlab.wordpress.com
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